Fliegler und Mohrdorf talkin‘ about: Kitty, Daisy and Lewis, The Third

Der Mohrdorf & Fliegler-Talk zum neuen Album von Kitty, Daisy & Lewis
copyright C. Mohr & M. Fliegl #mohrdorfandfliegler

Kitty Daisy & Lewis – The Third – http://www.kittydaisyandlewis.com/

kdl

Fliegler :
Seit dem letzten Album nebst Tour schlappe 4 Jahre Wartezeit, sagen die einen, verdammt lange 4 Jahre, die anderen, wozu ich – na logo – mich gern zähle.
Als ich Anno 2011 aufgrund eines FB-Youtube-Posts des geschätzten Schorle S. Glietsch auf das Kitty Daisy & Lewis – Video “ I’m So Sorry “ stieß,
(http://www.tape.tv/kitty-daisy-and-lewis/videos/im-so-sorry), war es SOFORT um mich geschehen.
Dieser Liebreiz, der Style, die Coolness und der Sound, irgendwie sehr abgezockt und doch unglaublich frisch!
Mein Musikkosmos hatte einen neuen Stern, der um so heller leuchtete, nachdem ich die „Durham-Family-that-stays-together-plays-together“ in der ausverkauften Darmstädter Centralstation im September live erleben durfte.
Rollatoren nebst Gehhilfen aus dem Altenstift neben Pop-Teens, Style-A-Billys, Punks, Krautrocker, Freaks, kurzum eine nicht nur auf sondern auch vor der Bühne generationenübergreifende Melange, fröhlich abshakend und alle ein seliges Strahlen auf den Gesichtern.
Es gab einige kurze Festivalgastspiele in Germany (z. B. mit Bryan Adams in Bad Kissingen – hatte ich echt drüber nachgedacht !!!), als Follower in den Netzwerken ist man natürlich immer auf dem laufenden, aber das Echte, Wahre wurde dann doch herbeigesehnt : ein neues Album mit Tour !
Sie, werte Frau Mohrdorf, waren ja leider an jenem Abend verhindert, was Sie sicherlich sehr bedauert haben, aber Sie holen das ja in Kürze nach.
Wie verlief denn nun Ihr Einstieg in das K. D. L. Universum, erzählen Sie mal !

Mohrdorf :
Ich habe das erste KDL-Album seinerzeit (also 2008) wie so vieles andere als Promo-CD bekommen und fand es erstmal seltsam: Warum spielen diese entzückenden jungen Menschen so ALTE Musik? Warum machen die keinen HipHop auf ihren Handys?
Das habe ich nicht verstanden… Andererseits war das Ganze schon sehr bestechend und mitreißend. Als ich dann noch erfuhr, dass KDL die Kinder der von mir sehr verehrten Ingrid Weiss (Schlagzeugerin der Raincoats, die wiederum eine der Lieblingsbands von Kurt Cobain waren, was an dieser Stelle zu weit, aber doch auf eine interessante Spur führt…) sind, standen sie gleich in einem ganz anderen Licht bei mir.
Und dann traten sie auch noch in der N3-Talkshow auf (als Charlotte Roche noch moderierte) – eine Sternstunde im deutschen Fernsehen! Das zweite Album „Smoking in Heaven“ ging mir gleich viel besser rein, „I’m so sorry“ ist einer meiner Lieblingssongs überhaupt.
Meine Berliner Freundin TM berichtete mir ähnlich beglückt von einem Konzert in der Hauptstadt – also keine Frage, dass ich sie dringend sehen muss!
Und, Mr Fliegler, was halten Sie nun vom neuen Werk der drei gebenedeiten Jugendlichen?
Fliegler :
Das hat mich quasi aus dem Stehgreif umwegfrei ohne über Los zu gehen in die Tasche gesteckt, ich war sofort in einem absolut anstrebenswerten Relax-Fußtapp-Modus.
Nachdem ich dieses Weihnachtenosternundgeburtstagsgeschenk nun mehrmals gehört habe kann ich feststellen dass trotz der Stilvielfalt und der Vielseitigkeit das ganze wie aus einem frischen Limettenguss daherkommt.
Da ich leider nur eine Kopie ohne Cover habe, konnte ich auch die Songtitel noch nicht verinnerlichen. Es haben sich aber schon einige Faves herauskristallisiert : das wundervoll magisch gesungene countryeske „Whiskey“, der Kneetrembler „It Ain’t Your Business“ oder die Bluesnummer Developer’s Disease.
Das Sixties-Retro „Bitchin’ In The Kitchen“ lässt vor meinem inneren Auge Diana-Rigg-Lookalikes mit Ponyfrisuren und ärmellosen Fransenkleidern um mich rumschnippen, während ich eine braune Dude-Lederjacke, darunter ein Streifenhemd mit Spitzkragen nebst Schlag-Cordhosen über das Parkett schüttle.
Überhaupt kommt mir die ganze Scheibe wie ein Cocktailabend mit lauter verschiedenen perfekten Shakes vor !
Was mich interessieren würde :
welche Songs lassen denn Ihrerseits plastische Bilder entstehen, Frau Mohrdorf ?

Mohrdorf:
Also, ich muss mal kurz Kollegin Manske von culturmag.de zitieren, die sinngemäß schreibt, dass man schon nach ein paar Sekunden weiß: Das sind Kitty, Daisy & Lewis!
Dem stimme ich unumwunden zu und finde es äußerst bemerkenswert, dass die drei Youngster einen total unverwechselbaren Sound hinkriegen – obwohl sie sich ja fast ausschließlich bei alten Vorbildern bedienen.
Bei „The Third“ gefällt mir besonders, dass sie noch mehr Stile ‚reinmischen, vor allem mag ich „Feeling of Wonder“ mit seinem slicken, funky Rhythmus und der souligen Atmosphäre.
Außerdem stehe ich auf den Gesang der Damen: Immer ein bisschen schief und neben der Melodie, und trotzdem (oder gerade deshalb) total sexy.
Toll finde ich auch die Ska-Elemente, z.B. bei „Turkish Delight“: Knackig und auf den Punkt, das gefällt mir.
Irgendwer hat mal gesagt – bzw. bemängelt -, dass der Sound von Kitty, Daisy & Lewis so unperfekt wäre: Genau das finde ich gut.
Den Dreien ist der Spaß am Ausprobieren und Musikmachen wichtiger als Perfektion – die meistens langweilig ist.
Dass Mick Jones das Album produziert hat, passt wie die Faust aufs Auge: Auch The Clash haben seinerzeit ihren Punk’n’Roll mit vielen verschiedenen Stilen gemixt – der „pure Stoff“ war Jones, Strummer & Co. zu öde, und die Platten der Clash sind nicht ohne Grund die beste britische Punkband (behaupte ich jetzt einfach mal).
Jones lässt Kitty, Daisy & Lewis einfach machen, das heißt, er mischt sich nicht allzu viel ein.
Ich stelle mir vor, dass er nur ein paar Mal gesagt hat, hey, spiel‘ doch das hier mal ein bisschen rauer; den Off-Beat betonen wir, und das Blues-Riff auch.
Keineswegs hat er den Durhams irgendwas aufgedrückt – aber ich fand ja auch toll, was er damals mit den Libertines gemacht hat.
Superalbum… aber ich schweife ab.
Du wolltest ja innere Bilder von mir: Bei „Bitchin‘ In the Kitchen“ sehe ich supertoll zurechtgemachte Ladies vor mir, die sich bei steil gemixten Cocktails in der Küche über die blöde Kuh im Nebenzimmer lustig machen – die die Party am Besten gleich verlassen sollte.
Don’t mess with Kitty & Daisy (Lewis ist bestimmt immer nett und höflich)!
Jetzt sagen Sie mal, Mr. Fliegler: Hören Sie den guten alten Mick Jones auf der Platte raus?

Fliegler :
Da kann ich Sie nur bestärken: Lewis IST nett & höflich, wie ich 2011 nach dem Concert beim Meet & Greet nebst Foto mit meinen beiden Begleiterinnen erlebt habe.
Ich bin hier beileibe nicht der Mick-Jones-Experte, wie mir nicht schwer fällt zu gestehen, aber ich pflichte Ihnen aus reinstem Herzen bei.
Ein guter Produzent formt, ohne aufzufallen, quasi ein Multiplikator der schöpferischen Eigenheit des Musikers, um mal geschwollen dahergestiefelt zu kommen.
Ich darf behaupten, der gute Mick hat zwar homöopathische Dosen Big Audio Dynamite aus der Apotheke verabreicht, aber mitnichten hierdurch den Durham-Geschwistern ihr gesegnetes Talent gebremst sondern vielmehr verstärkt.
Denn der Multivitamin-Groove, den die Drei hier aus dem gefiederten Hut zaubern, kommt nicht von ungefähr, das schafft nur jahrelanges behutsames Aufpäppeln mit reinster Muttermilch, will sagen wer selber musiziert weiss das es Talente gibt, die man nicht trainieren kann, die einfach da sind und kanalisiert gehören.
Genau das macht eben eine gute Kinderstube aus, man kann den Eltern nur unaufhörlich die Patschhände schütteln was ihnen da für drei astreine Würfe geglückt sind.
Mit Verlaub, das ganze Gerede von „fehlender Perfektion“ und dem Runtergebete des Hassworts „Authentizität“ beweist bloß mal wieder dass die Kritikerzunft vor allem das gerne Vorgegaukelte eben nicht hat: Ahnung !
Denn es gibt nur ein einziges Kriterium für gute Musik : sie darf auf gar keinen Fall klingen wie ein Sack Muscheln, und Kitty Daisy & Lewis sehen nicht nur fantastisch aus, sondern klingen auch fantastisch!
Übrigens sind Lewis’ Interpretationen des Good Ole Blues für mich persönlich die Kaffeesahnehäubchen, er hat eine Stimme wie ein Vorbild-Klassiker aus den Knisterzeiten der Aufnahmetechnik. Wie die Reinkarnation von einer ganzen Kiste alter Bluesrecken.
Überhaupt kann man sich die Drei eigentlich in fast jede Epoche des 19. und 20. Jahrhunderts hineindenken.
Na gut, Gottseidank nicht in die von Ihnen verehrten Zeiten des 80er-Synthiepops, wenn ich hier mal so rumätzen darf.
Gäbe es einen Film, in welchem Sie, liebe Misses Mohrdorf, gerne Kitty, Daisy oder Lewis sehen wollten, z. B. im Quartett mit Harpo Marx, als Mariachi-Betreuer eines mexikanischen Maskencatchers, Saloonmusiker in einer Winnetou-Neuauflage oder in einem Kolonial-Epos aus der Zeit des chinesischen Boxeraufstands?

Mohrdorf:
Haha, Sie haben ja Ideen, mein lieber Herr Gesangsverein Fliegler: Tatsächlich könnte noch nicht mal ich mir Kitty, Daisy & Lewis mit Synthies und Kuhglockenuntermalung vorstellen… Und im Film, hmmm… vielleicht in einer Neuauflage von Jim Jarmuschs „Mystery Train“? Oder in einer Hommage an „La Dolce Vita“… aber vor allem kann ich mir die drei sehr gut live & rockin‘ vorstellen – zum Beispiel Ende Februar im Schlachthof zu Wiesbaden. Wir sehen uns dort!

Kitty, Daisy & Lewis live in Deutschland:

22.2.2015 Hamburg, Große Freiheit

24.2.2015 Berlin, Columbiahalle

27.2.2015 Wiesbaden, Kulturzentrum Schlachthof

28.2.2015 München, Muffathalle

Video „Baby Bye Bye“
http://vevo.ly/Oa6XRb