Mohrdorf & Fliegler talkin‘ about: Kate Pierson, Guitars and Microphones

Kate Pierson: Guitars and Microphones (Lazy Meadow)

Rettet die Schildkröten!

Mohrdorf: Also, um gleich mal mit der Tür ins Haus zu fallen: Ich finde Kate Piersons Solo-Album leider nur so mittel. Fällt mir nicht leicht, das so hinzuschreiben, vielleicht lag es auch an meinen ehrlich gesagt hohen Erwartungen, aber: Die Songs von „Guitars and Microphones“ reißen mich nicht vom Hocker. Piersons Stimme ist SO GROSSARTIG – da hätte was Geileres dabei herauskommen können.
Was sagen Sie, Monsieur Fliegl?

Fliegler :
Pfeif! Kniewackel! Kopfwipp! Summ!
Ach, guten Abend Frau Mohrdorf, ich hatte Sie noch gar nicht virtuell hereinkommen bemerkt, was glauben Sie : ich höre grade zum 1. mal das allererste Soloalbum einer unserer sehr verehrten Lieblingssängerinnen, Kate Pierson – „Guitars & Microphones“!
Sie sagen, was – ich meine, sorry, muss mich erstmal herunterbeamen, puhh, da ist so was überirdisch flirrendes drin.Mit Verlaub, meine Liebe, ich konnte schon gleich drei Soon-to-be-Flieglerstimmungsaufheller ausmachen. Das wird noch in die Gehörwindungen eingearbeitet werden, ich darf sagen dass ich im Gegensatz zu Ihrer Stimmungsschilderung echte Zuversicht ausstrahle.
Dürfte ich Ihnen vielleicht ans Herz legen, es mir nachzutun, sich mit einem guten Stereokopfhörer bewaffnet vom magischen „Bring Your Arms“ paralysieren zu lassen ?

Mohrdorf: Ja klar, ich höre es auch, dieses vibrierende Flirren und flackernde Flimmern! Ich spüre es sogar! Aber das kommt eben allein von Kates Stimme – the voice of LGBT-America! Und nicht unbedingt von der Musik, die mir zuweilen zu weichgespült vorkommt.
Ich krittel‘ noch ein bisschen herum: Zum Beispiel wünscht sich Kate Pierson ja, dass „Mister Sister“ eine Trans-/Queer-Hymne wird. Aber dafür finde ich den Song zu bieder und mainstreamig. Sie hätte in jeder Hinsicht deutlicher werden können: Musikalisch, textlich und auch auf ihre eigene Person bezogen, die in queeren Kreisen ja durchaus große Bedeutung hat!

Fliegler :
Ich entgegne Ihnen hierzu: man muss der Grand Dame des New Wave nachsehen, dass in ihrem Alter das Plakative in den Hintergrund rückt, die fehlende Wucht jugendlichen Bekenntnisdrangs sehe ich da gerne nach.
Die diesbezügliche Erwartungshaltung Ihrerseits, meine Liebe, Sie entschuldigen mich, ist mir völlig egal, denn: es stehen für mich stets die Songs im Vordergrund, und da sind mir mindestens vier Stück wertvoll, allen voran der Titeltrack, der mich seit vorgestern als unsichtbare Schalmei begleitet und beschwingt. Die unaufdringliche aber ganz fein groovende Rhythmusgitarre z.B. ist klasse, der auf- und abschwellende Gesang erzeugt für mich fast schon eine sinnliche Spannung, obendrein auch noch ein echt tanzbarer Kneetrembler.
Wird auf der Habenseite verfolgt von dem Zuckerstangenwelt-Soundtrack „Bring Your Arms“ mit Circen-Chor und flirrenden Keyboards und den Songs „Matrix“, „Bottoms Up“ und „Mister Sister“ oder „Time Wave Zero“: eine überdurchschnittlich gute Trefferquote für einen Longplayer, wenn ich’s sportlich fomuliere.
Aber ich vergebe auch Minusnoten, zunächst möchte ich jedoch noch Ihre wenn auch wie ich fürchte spärlich ausfallende Lobhuldigung einholen, bitteschön!

CM: Ach, Herr Fliegler! Ihre unbändige Begeisterung schwappt tatsächlich auf mich über – ich komme mir ja schon ganz erbsenzählerisch und kleingeistig vor… 😉
Also, ich habe natürlich auch Lieblingssongs, und zwar „Bottoms Up“ und „Crush Me with your Love“ – eigentlich bin ich ja nicht so balladen-affin, aber dieses Stück ist ein echter Heartbreaker, finde ich. Und „Time Wave Zero“ ist wegen des Gesangs besonders gut gelungen: Im Booklet steht Kate Pierson ja als „Human Theremin“. Das passt!

„Guitars and Microphones“ ist Piersons Soloalbum – beziehungsweise ein Album ohne die B-52’s, denn hier spielen ja ein paar andere Leute wichtige Rollen, zum Beispiel Sia Furler. Die kannte ich natürlich vorher auch schon, als Solokünstlerin (Hit: „Chandelier“), aber vor allem als Songschreiberin für Beyoncé, Rihanna, Christina Aguilera, Katy Perry, Kylie Minogue und Celine Dion. Sia Furler ist also eine irrsinnig erfolgreiche, dabei gleichzeitig relativ unbekannte Super-Top-Hitkomponistin. Dass sie Kates neue Songs mitgeschrieben und produziert hat, merkt man – der Mainstream-Appeal muss ja nicht schlimm sein, im Gegenteil: ist ja nur zu begrüßen, wenn möglichst viele Leute Piersons Platte gut finden.
Ich wollte es nur mal gesagt haben.

Vielleicht können Sie ja, verehrter Monsieur Fliegél, ein paar Worte zum The Strokes-Gitarren-Beau/-Boy Nick Valensi verlieren?

Fliegler:
Oh! Sie brillieren hier mit Fachwissen aus der Popwelt, mit welchem ich mich als Rock’n’Roll-Genre-Junkie keinesfalls erdreisten würde Schritt halten zu wollen.
Die Strokes sind mir von ihren ersten Platten in guter Erinnerung, wenn ich sie auch nicht so stet gebührend weiterverfolgt habe. Die haben mich immer ein bissl an die frühen Velvet Underground erinnert, eine Prise Retro gebürstet mit einem Teelöffel Beat und feinen Musikergenen geschüttelt, aber nicht gerührt. Nick Valensi hat natürlich maßgeblichen Anteil an deren Sound und war wohl nach allem was ich las Misses Pierson’s Wunschgitarrist. Eine im Ergebnis unaufdringliche aber für diesen Sound vortrefflich dosierte Wahl ! Weiteres werden Sie mir zum Beau/Boy nicht entlocken, da ich nichts weiteres zu dem mir persönlich nie begegneten Herrn Valensi weiss.
Aber ich wäre ja kein Hesse, wenn ich nix zu meckern fände. Die Beats klingen mitunter wie ein lächerlicher Sack Murmeln, was zwar irgendwie zu der quietschbunten Grundstimmung passt, aber eben auch nur irgendwie, sowas geht nun wirklich besser, klarer Minuspunkt.
Und: ich hätte mir sowas wie ein Kampf-Der-Titanen-Duett gewünscht, welches meine Gänsehaut ähnlich bearbeitet hätte wie das All-Time-Juwel „Candy“.
Die gute Kate hätte nicht mal mit dem Finger schnippen sondern bloß Bezaubernde-Jeannie-mässig zwinkern müssen und eine Who-Is-Who-Musikerelitetruppe wäre SOFORT einsatzbereit gewesen !
Aber: mich hat ja wieder mal niemand gefragt. Damit solcherlei Unbill im Keim erstickt frage ich Sie: wen hätten Sie denn als Gastmusiker gern gehört?

Mohrdorf: Also, wenn Sie mich schon so fragen: Da Kate Pierson unlängst von einer Zeitschrift „die Mutter aller Katy Perrys“ genannt wurde, fänd‘ ich ein Duett der beiden Katherinen natürlich fantastisch! Der gemeinsame Liveauftritt von Kate Pierson und Debbie Harry („Roam“) ist ebenfalls göttinnenhaft – eine gemeinsame Platte wäre quasi der Olymp der coolen 60+-Sängerinnen.
Aber Kate Pierson mit einer ihrer jungen „Nachfolgerinnen“ (wobei das natürlich keine wirklich erreichen kann), wäre schon toll – und ich bin sicher, dass dabei nicht so eine anbiedernde Peinlichkeit rauskäme wie Mme. Ciccione mit Nicky Minaj oder Britney Spears.
Was aber jederzeit auch immer geht: Nochmal ein Konzert mit den B-52’s, und auch gerne wieder so günstig in der Nachbarschaft gelegen wie 2013 in Hanau. Da gehen wir wieder hin, gelle?

Ach, und was mir „Guitars & Microphones“ doch arg sympathisch macht: Ein Teil der Einnahmen geht an den Turtle-Rescue-Fund. Schildkröten retten mit Miss Pierson: Da bin ich dabei!

Video „Mister Sister“